Wochenandacht

für die Woche vom 29. Juni bis zum 5. Juli


Predigt am Sonntag, 29. Juni, über Jesaja 55, 1-5,
von Vikar Ferdinand Billharz

 

Liebe Gemeinde, einen Moment.

Ich trinke etwas

Entschuldigen Sie bitte. Aber das kennen Sie doch bestimmt. Das Gefühl so richtig durstig zu sein. Gerade bei den Temperaturen, die wir diese Woche hatten und haben, trocknet man ganz schön aus. Kein Wunder, dass die Autoren des Alten Testamentes so gerne Bilder von Durst und Wasser benutzt haben, wenn man bedenkt, dass es auch damals in den Ländern der Bibel heiß gewesen sein muss. Stellen Sie sich mal vor, sie befinden sich am Rand der Wüste, die Sonne scheint so intensiv wie in den letzten Tagen und sie haben weder fließend Wasser noch ständig eine Trinkflasche dabei. Da ist der Gedanke zum Wasser an der Oase oder an den Brunnen zu gehen naheliegend. Um das Wasser geht es auch in unserem heutigen Predigttext, der bei Jesaja im 55. Kapitel steht:

 

Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist, und gebt euer Einkommen für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich und esst Gutes, so dass sich eure Seele am Fett labe. 3Neigt eure Ohren her und kommt zu mir! Höret, so wird eure Seele leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, die Treueerweise zu David haben Bestand. 4Siehe, zum Zeugen für die Völker habe ich ihn gesetzt, zum Fürsten und Gebieter über die Völker. 5Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst, und Völker, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des Herrn, deines Gottes, willen und des Heiligen Israels, denn er hat dich verherrlicht.

 

Sehnsucht nach Leben

Ich weiß nicht, wer von Ihnen einen Hund daheim hat. Ich bin mit Hunden aufgewachsen und fand es immer wieder faszinierend, wie schnell Hunde zufrieden sind. Neben den körperlichen Bedürfnissen, Fressen, Trinken und Gassi gehen, bekam unser Hund gerne Streicheleinheiten, war ansonsten aber auch total zufrieden einfach nur da zu sein. 

Wir Menschen haben noch mehr Bedürfnisse als die nach Essen und Trinken. Ich gehe davon aus, dass die Wenigsten von Ihnen heute nur wegen des Kaffees und der leckeren Kuchen nach dem Gottesdienst gekommen sind. Menschen haben einen Durst nach Leben, der weder von Wasser noch von Wein lange gestillt werden kann. Wir empfinden eine Sehnsucht nach Sinn. Wir brauchen etwas das über den Alltag hinausgeht und streben ständig nach Erfüllung, Glück und Zufriedenheit.

Falsches Wasser?

Wir versuchen auf verschiedene Arten unsere Sehnsucht nach dem Sinnlichen zu stillen. Sport und ausgelassenes Feiern lassen uns spüren, dass wir am Leben sind. Liebe und Partnerschaft tut uns im Innersten gut. Kunst und Musik – das weiß man in St. Stephan sehr gut – berühren unsere Seele, reißen uns aus dem Alltag heraus und eröffnen uns ein Fenster ins Unsagbare, das wir so begehren. All diese Dinge können den Durst löschen, mal für einen Moment, mal für einen längeren Zeitraum. Sie sind deshalb sicher richtig und wichtig. Aber sie alle sind keine Quelle, die den Durst unserer Seelen dauerhaft löschen und den Hunger stillen können.

Noch dazu gibt es auf dem Marktplatz des Lebens zahlreiche Händler, die ihre Produkte schrill bewerben. Ständige Selbstoptimierung verspricht uns ein gutes Leben. Social Media kann wie eine Droge Hunger und Durst für eine Zeit unterdrücken, schafft aber Zerstreuung statt Zufriedenheit. Das Unterdrücken der inneren Bedürfnisse ist – um das Bild noch einmal zu gebrauchen -, als würde man im Moment des großen Durstes zur Limonade, oder noch schlimmer, zu Salzwasser greifen. Auch wenn es die Lippen benässt – es stillt nicht unseren Durst und kann uns sogar wertvolles Wasser entziehen.

Das ist übrigens kein Phänomen unsere Zeit, sonst hätte der Autor unseres Textes wohl kaum so verwundert gefragt: Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist, und gebt euer Einkommen für das, was nicht satt macht?“

Wort ist Brot des Lebens

Jesaja verspricht Durstigen bei Gott nicht nur Wasser, sondern obendrein auch noch Wein und Milch. Wenn ich auf Gott höre, darf sich meine Seele am Fett laben!

Ich kann mir vorstellen, dass ich gerade viele abgeschreckt habe.

„Sich am Fett laben“ – das klingt heute eher nach Völlerei, Cholesterin und schlechtem Gewissen als nach etwas, das wir mit einem guten, erfüllten Leben verbinden würden. In unserer Zeit ist „Fett“ oft negativ besetzt. Viele versuchen Fett zu reduzieren, zu vermeiden oder durch „leichtere Alternativen“ zu ersetzen.

 

Aber im biblischen Kontext ist das Bild ganz anders gemeint. Zur Zeit Jesajas war Fett etwas Kostbares. Es war das Beste vom Tier, bei Opfergaben wurde das Fett Gott selbst dargebracht – als Zeichen besonderer Ehre. Fett stand für Fülle, für Kraft, für das, was nährt und stark macht. Wer sich „am Fett laben“ konnte, hatte nicht nur genug zum Überleben – er hatte mehr als genug. Es war ein Bild für ein rundum gesegnetes, erfülltes Leben.

In meiner Vorstellung darf meine Seele durch Gottes Wort ein saftiges Steak essen oder einen Sonntagsbrunch vor einem ausgedehnten Waldspaziergang genießen. Sie darf etwas zu sich nehmen, dass ihr gut tut.

Das Wasser und unser tägliches Brot sind ein Gruß aus der Küche Gottes. Sein Wort hingegen ist der Hauptgang, auf den wir uns ausgehungert freuen dürfen!

Es ist die Nahrung unserer Seele, die jeden Durst und jeden Hunger stillt. Und wer sie isst, das haben wir auch im Evangelium gehört, der ist Selig – also Satt und erfüllt im Herzen.

Und manchmal gibt Gott uns nicht nur sein Wort, sondern auch sichtbares Brot und greifbaren Wein – im Abendmahl.
Auch darin erfüllt sich seine Einladung: „Kommt, esst und trinkt – umsonst!“

Es ist mehr als eine Erinnerung – wir glauben: Christus selbst begegnet uns in Brot und Wein, mit seiner Gegenwart, seinem Trost, seiner Vergebung.

Es ist mehr als ein Ritual – es ist ein Sakrament, in dem Gott uns nahekommt und verbindlich zusagt, dass wir angenommen und gestärkt sind.

Das Abendmahl ist ein Vorgeschmack auf das große Festmahl des Himmels, bei dem Gott selbst der Gastgeber ist.

Ewiger Bund

Gott lädt uns nicht zu einer Armenspeisung ein, weil er unseren Hunger sieht und Mitleid hat. Er will keinen Gast für einen Tag, sondern eine dauerhafte Tischgemeinschaft mit uns. Er bietet uns durch Jesaja einen ewigen Bund an.

Stellen Sie sich vor: Ihre durstige Seele muss sich nicht mehr von Oase zu Oase durch die Wüste schleppen, sondern darf in Gottes Palast einziehen. In ein Zimmer mit einem weichen Bett und fließendem Wasser aus goldenen Hähnen. Sie bekommt nach einer Zeit des Fastens das beste Essen – je nach ihrem Geschmack mit mehr oder weniger Fett.

Der Bund den Gott mit uns dabei schließen will ist auf die Ewigkeit ausgelegt und wird von ihm nicht gebrochen werden. Er will uns bildlich als dritte Vertragsparteien in einen Vertrag mit Ewigkeitsklausel aufnehmen, den er zuvor schon mit David und all seinen Nachkommen geschlossen hat.

David – Jesus

Jesus ist nach unserem christlichen Verständnis der verheißene Sohn Davids. Er sitzt nicht mehr auf Davids Thron und trägt seine Krone nicht. Seine Königsherrschaft ist anders. Sie zeigt sich in Barmherzigkeit, in Gerechtigkeit, in Zuwendung zu den Durstigen und Armen.

Jesus heilt, tröstet, vergibt – und lädt Menschen ein, an Gottes Tisch Platz zu nehmen. Er erfüllt das Wort aus Jesaja, wo Gott sagt: „Kommt, esst, trinkt – ohne Geld, umsonst!“

Im christlichen Glauben sehen wir darin die Erfüllung und gleichzeitige Weitung des alten Bundes mit David. Der Bund Gottes mit Israel wird in Jesus nicht aufgehoben, sondern geöffnet – für die ganze Welt. Für Juden und Nichtjuden gleichermaßen. Das Angebot richtet sich an alle Durstigen und alle, die hungern, aber kein Geld haben. Das ist keine Abwertung des Vertrags mit David und Israel, kein Ersatz, kein Überbieten. Es ist nach meiner Überzeugung die in Erfüllung gegangene Ankündigung Jesajas, dass am Tisch des Herrn unseren Gottes viele Völker sitzen werden.

Komm sag es allen weiter…

Jesus greift die Einladung bei Jesaja im Gleichnis vom großen Abendmahl auf, wenn er sagt: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wer sich einladen lässt, wird satt. Wer kommt, bekommt einen Platz am Tisch Gottes.

Auch wir haben heute im ersten Lied gesungen: Komm sag es allen weiter: Gott selber lädt uns ein. Sein Haus hat offene Türen, er ruft uns in Geduld, will alle zu sich führen.

Ich kann diese Zeilen von ganzem Herzen unterschreiben und will ergänzen:

Die Einladung gilt wirklich allen, sie ist kostenlos, auf Dauer angelegt und Gott tischt nur das Beste auf.

Amen.