Wochenandacht

für die Woche vom 23. bis zum 29. November


Predigt am Sonntag, 23. November, über Matthäus 25, 1-13,
von Pfarrer Walter Neunhoeffer
 

Liebe Gemeinde,

vor knapp 6 Jahren verstarb meine Mutter. Das war für uns, ihre sechs Kinder und zwölf Enkel, sehr traurig, auch wenn wir wussten, dass ihr Tod für sie eine Erlösung von ihrer immer schwerer werdenden Pflegebedürftigkeit war. Für meinen Vater war der Tod meiner Mutter besonders schwer. Er war nun nach fast 65 Jahren Ehe allein.

Mich rührte es besonders an, dass er, der sein Leben lang, Zuversicht ausstrahlte und andere tröstete, seine Zuversicht verlor und trostlos war. Mir wurde bewusst, dass man nicht weiß, was die Trauer mit einem macht.

Das Gleichnis von den 10 Jungfrauen kann man auch als Gleichnis hören, wie es einem in der Trauer ergehen kann. Aber hören Sie selbst:

Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst. Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde. (Matthäus 25,1-13)

In der Trauer kann man sich schon so fühlen wie die Jungfrauen, denen das Öl ausging und die dem Licht der Zuversicht nichts mehr zusetzen konnten. Man fühlt sich ausgebrannt und leer. Und dann sieht man auch noch die anderen, die so stark erscheinen, die nicht erschüttert sind, die keine Zweifel haben, die auch noch vermeintlich kluge Ratschläge für die Trauer haben.

Für meinen Vater war es kein Trost, wenn man ihm sagte, dass der Tod für meine Mutter eine Erlösung bedeutete und dass es doch besser für sie wäre. Denn für ihn war es nicht besser, weil er sie so sehr vermisste.

Der Ratschlag der vermeintlich klugen Jungfrauen, sich doch noch schnell selbst Öl zu besorgen, geht schief, weil die vermeintlich törichten Jungfrauen letztlich doch ihr Ziel verfehlen. Kluge Ratschläge verfehlen in der Trauer oft ihr Ziel. „Du musst jetzt stark sein“, hört man dann und fühlt doch wie man gar keine Kraft hat. Als ich einer Frau einmal „viel Kraft“ wünschte, antwortete sie mir: „Alle wünschen mir viel Kraft und selbst fühle ich mich so kraftlos.“

In unserem Gleichnis kommt es mir besonders hart vor, dass die 5 törichten Jungfrauen keinen Zugang mehr zur Hochzeitsfeier und zum Bräutigam finden, obwohl sie sich doch auch auf den Weg gemacht hatten, obwohl sie doch auch viele Stunden voller Zuversicht auf ihn gewartet hatten. Sie klopften an und ihnen wurde nicht aufgetan.

Mein Vater, ein Leben lang ein gläubiger Mensch, der viel Kraft in seinem Leben aus dem Glauben gezogen hatte, empfand sich nun von Gott und der Welt verlassen. So geht es Trauernden oft, dass Worte, die einem vorher Zuversicht geschenkt haben, sich nun so leer anhören. Das erleben Trauernde oft, dass sie keinen Zugang mehr finden zu dem, was bisher sich so selbstverständlich anfühlte.

 

Der Bräutigam in unserem Gleichnis kommt mir sehr hartherzig vor, weil er die Jungfrauen, die zu spät kommen, vor der Türe stehen lässt. So wie auch der Tod hartherzig ist, Beziehungen abbricht, man nicht mehr miteinander reden, lachen und weinen kann. Man ist in ein Davor und Dahinter getrennt. Das Gleichnis von den 10 Jungfrauen beschreibt sehr eindrücklich, wie es einem in der Trauer gehen kann.

In mir ruft das Gleichnis aber auch Widerstand wach. Denn eines wird klar: Es gebe auch noch andere Handlungsmöglichkeiten.

Ich verstehe die 5 klugen Jungfrauen, dass sie Sorgen haben, ihr Öl zu teilen. Doch anstatt die anderen zum Kaufmann zu schicken und ihnen damit zu signalisieren, dass das jetzt ihr eigenes Problem sei, hätten sie die anderen einladen können, bei ihnen zu bleiben in dem großen Vertrauen, dass das eine Licht auch für zwei ausreichen werde.

Ja, es braucht im Leben Momente, in denen andere für einen zuversichtlich bleiben, in denen andere für einen glauben. Ein Mann, der durch den Tod eines Freundes sehr erschüttert war, fragte mich: „Glaubst Du wirklich an die Auferstehung? Und jetzt sei bitte ganz ehrlich!“ Ich konnte ihm aus ganzem Herzen antworten: „Ja, ich glaube, dass Jesus Christus den Tod besiegt hat.“ Ich spürte, wie es diesem Mann, der in große Zweifel gestürzt war, gut tat, dass ich glauben konnte und ein bißchen auch für ihn mitgeglaubt habe.

Meinem Vater hat es gut getan, dass wir ihn nicht alleine gelassen haben, dass wir mit ihm ausgehalten haben und dass wir weiter zuversichtlich geblieben sind, auch für ihn, bis er selbst wieder Zuversicht gewonnen hat.

Ich sehe bei den klugen Jungfrauen noch eine weitere Handlungsmöglichkeit: Wenn der Bräutigam kommt, während die anderen noch auf dem Weg sind, dann könnten sie ihn bitten, doch noch auf die anderen zu warten oder zumindest für sie die Tür offen zu halten.

Das brauchen Trauernde, dass die anderen nicht zu schnell wieder in den Alltag zurückkehren. Und wenn sie es müssen, dann doch zumindest die Türe für die Trauernden offen zu halten, dass sie irgendwann auch wieder dabei sein können.

Schließlich glaube ich an einer andere Haltung Jesu als die des Bräutigams. Ich glaube an einen Gott, der sagt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“

Ich glaube an einen Herrn, der sagt: „Bittet so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan.“

Ich glaube an Jesus Christus, der den Tod besiegt hat und ich deshalb voller Zuversicht bekennen kann: „Jesus bleibet meine Freude!“

Und wenn mir dafür gerade die Zuversicht fehlt, dann ist es gut, wenn es andere für mich tun. Amen.