für die Woche vom 12. bis zum 18. Januar
Predigt am Sonntag, 12. Januar, über Josua über Josua 3, 5-11.17
von Pfarrer Walter Neunhoeffer
Liebe Gemeinde,
auf zu neuen Ufern! Wer weiß, für wen das gilt im Jahr 2025, dass man sich aufmachen muss, sich zeigen muss, sich auf eine neue Lebenssituation einstellen, Verantwortung übernehmen muss, vielleicht nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.
Josua, als Nachfolger Moses, steht vor dieser großen Verantwortung. Er muss sich nicht nur selbst zu neuen Ufern aufmachen, sondern das ganze Volk zu neuen Ufern führen. Dabei muss er seine Komfortzone verlassen. Bisher stand er hinter Mose in der zweiten Reihe, was ihm vielleicht auch getaugt hat.
Auf zu neuen Ufern! Da gehört schon Mut dazu.
Von dem, was Josua Mut macht, hören wir im heutigen Predigttext:
Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der Herr unter euch Wunder tun. Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. Und der Herr sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des Herrn, eures Gottes. Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kaananiter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter; Siehe die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan. Und die Priester, die die Lade des Herrn trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war. (Josua 3,5-11-.17)
Was macht Josua Mut: Ich denke als allererstes und wichtigstes macht Josua Mut, dass Gott ihm zusagt, dass Gott mir ihm ist, genauso wie mit dem großen Mose. „Ich Josua, der immer in der zweiten Reihe stand, der es erleben musste, dass es immer nur um Mose ging, dass alle immer nur auf Mose schauten, ich, dessen Leistungen nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen, werde von Gott gesehen und wichtig genommen.
Ein gutes Wort für Josua und alle, die eher übersehen werden, deren Dienst man selbstverständlich hinnimmt. „Du bist wichtig!“ Ein gutes Wort für jeden Menschen. „Du bist für Gott wichtig!“, eine Haltung, die wir bei jeder Taufe feiern und die hoffentlich einem Kraft gibt für das ganze Leben und für Situationen, in denen es im eigenen Leben heißt: „Auf zu neuen Ufern!“
Für Josua ist die Erkenntnis ermutigend, dass die Bundeslade vorangehen soll. Zum einen als Symbol dafür, dass Gott mitgeht, als Symbol der Gegenwart Gottes auf dem eigenen Weg. „Ich werde mit Dir sein!“, sagt Gott zu Josua und zu jeder und jedem von uns. So wie es in unserem heutigen Evangelium auch Jesus hören darf, bevor er sich auf den Weg macht zu den Menschen: „Du bist mein geliebter Sohn!“
In der Bundeslade sind aber auch die 10 Gebote verwahrt. Die 10 Gebote sollen Josua und dem ganzen Volk Orientierung geben, wenn sie sich aufmachen. Wenn Du Dich aufmachst zu neuen Ufern, dann ist es gut, wenn Du auf ein Wertesystem zurückgreifen kannst. Dann ist es gut, wenn Dir bewusst ist und bleibt, dass Deine eigene Macht immer auch begrenzt ist und begrenzt sein muss. Dann ist es gut, wenn Dir Treue wichtig ist. Dann ist es gut, wenn durch Dein Verhalten kein Leben gefährdet wird. Dann ist es gut, wenn das Eigentum anderer nicht angetastet wird. Dann ist es gut, wenn Du auf Lügen, Falschbehauptungen und Halbwahrheiten verzichtest und dann ist es gut, wenn Du keinen Neid schürst.
Ich finde, das klingt nach einem Wertesystem, das einem selbst und der Welt auch heute noch gut tun würde.
Die Bundeslade soll vorangehen. Mit diesem Wertesystem kannst Du Dich auf zu neuen Ufern machen. Das gibt Dir Halt und Orientierung, im Leben und wenn Du Verantwortung übernehmen musst. Denn es zeigt auch eine rote Linie, die man besser nicht überschreitet, weil sonst zu Vieles ins Wanken gerät, wenn man nicht mehr weiß, was wahr oder falsch ist, wenn man sich nicht mehr sicher sein kann, dass das Leben und die Würde unantastbar sind.
Umso mehr irritiert es mich, dass in unserem Predigttext als ein Zeichen der Nähe Gottes gewertet wird, wenn die Kaananiter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter vertrieben werden. Ich habe Mitgefühl mit diesen Volksgruppen und bin enttäuscht, dass nicht nach ihrem Wohlergehen gefragt wird. Was ist denn mit diesen Männern, Frauen und Kindern? Müssen sie fliehen? Und dann erleben, was alle Flüchtlinge dieser Welt erfahren, dass sie nicht willkommen sind?
Widerspricht diese Verknüpfung von der Nähe Gottes und der Vertreibung anderer nicht gerade den 10 Geboten?
Sie merken schon, dass ich hier mit dem Bibeltext gar nicht einverstanden bin. Erst recht nicht in Zeiten, in denen Machthaber andere Länder mit Krieg überziehen und andere davon träumen, unabhängige Staaten in ihr eigenes Land zu integrieren. In solchen Zeiten schon dreimal nicht.
Deshalb will ich auch eine dreifache Antwort geben.
Die erste ist eine historische. Wenn man die Bibel weiterliest, wird man gerade im Richterbuch erkennen, dass das mit der Vertreibung so nicht geklappt hat. Es gibt das Volk in Reinkultur nicht. Man muss sich immer auch mit anderen Gruppen auseinandersetzen. Es wird immer den anderen geben. Und das ist letztlich auch gut so, weil man selbst ja auch ein anderer ist. Josua, wenn Du Dich auf zu anderen Ufern machst, dann wirst Du auch immer anderen begegnen, sieh zu, wie Du in Frieden miteinander leben kannst. Und träume nicht von Vertreibung oder Remigration.
Die zweite Antwort ist eine psychologische. Vielleicht ist auch hier von Vertreibung die Rede, weil man die Angst vertreiben möchte, die man oft gegenüber dem empfindet, was einem fremd ist. Nur wenn ich immer das vertreibe, was mir fremd ist, werde ich niemals die Angst vor dem Fremden verlieren, niemals erfahren, was ich von dem, was fremd ist lernen kann, niemals erfahren, was mich vielleicht sogar bereichern könnte.
Die dritte Antwort ist eine christologische. Die Taufe Jesu, von der wir vorhin gehört haben, setzt andere Akzente. Jesus muss sich auch aufmachen zu anderen Ufern. Er muss nun seinem Auftrag hin zu den Menschen zu gehen und ihnen die Liebe Gottes verkünden annehmen. Dabei ist es ihm wichtig, sich von Johannes taufen zu lassen. Dieser lehnt es zunächst ab, weil er in Jesus den viel Bedeutenderen erkennt. Doch Jesus will sich nicht erheben. Er bleibt demütig. Er verzichtet auf jegliche Art von Machtdemonstration. Er will Mensch unter Menschen bleiben und gerade so menschlich bleiben. Und er erfährt, dass er genauso Gottes Sohn ist.
Auf zu neuen Ufern! Das gilt auch für das Jahr 2025! Lasst uns dabei an den Werten der jüdisch-christlichen Tradition mit den 10 Geboten festhalten und lasst uns Menschen bleiben, die wie Albert Schweitzer sagt, leben wollen mitten unter Leben, das auch leben will.
Amen.