für die Woche vom 2. bis zum 8. November
Predigt am Sonntag, 2. November, über 1. Mose 8, 18-22. 9, 12-17
von Pfarrer Hans-Helmuth Schneider
So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.
Liebe Gemeinde,
das ist eine wirklich uralte Geschichte der Menschheit, die da ziemlich am Anfang der Bibel erzählt wird, die Geschichte von Noah und der Sintflut. Sie spielt zu einer Zeit, als es noch lange kein Volk Israel gab, keinen Moses und keine Zehn Gebote. Heute wissen wir, dass eine solche Geschichte von einer riesigen Flut in vielen Ländern des alten Orients erzählt worden ist, was darauf hindeuten könnte, dass es dort tatsächlich einmal eine riesige Überschwemmung gegeben hat. Genauer kann man das aber nicht mehr zurückverfolgen.
Wir haben nun das Ende der Geschichte gehört, oder jedenfalls Teile davon. In ihnen wird deutlich, was diese Erzählung in der Bibel für eine Besonderheit hat. In der Bibel endet die Geschichte von der Sintflut mit einer Botschaft an die gesamte Menschheit, oder besser noch: an den gesamten Planeten Erde. Gott sagt: Ich schließe nun einen Bund mit den Menschen und allen anderen Lebewesen auf der Erde. Ich werde die Erde nicht zerstören. Daran soll euch und auch mich das Zeichen des Regenbogens erinnern.
Dies ist das erste Mal, dass in der Bibel von einem Bund Gottes die Rede ist. Und es ist ein Bund Gottes mit allen Menschen und Lebewesen, zwischen Gott und allem lebendigen Getier auf Erden, wie der Luthertext es ausdrückt. Noch lange vor dem Bund mit Abraham und dem Bund mit Mose schließt Gott einen Bund mit der ganzen Erde, und das heißt in diesem Fall vor allem: Er gibt ihr ein Versprechen. Das Getier auf Erden wird seinerseits nicht weiter verpflichtet. Gott verpflichtet sich selber.
Nur, was heißt das eigentlich? Es heißt anscheinend: Ich, Gott, greife von jetzt ab nicht mehr in die Weltgeschichte ein, oder wenn, dann nicht mehr so groß und umfassend. Ich gebe die Erde im Wesentlichen in eure Verantwortung. Ich überlasse sie euch Menschen und ich überlasse sie sich selber. Was immer auch kommt, es ist keine Strafe Gottes mehr, auch wenn die Menschen zumindest zweitweise so falsch oder böse handeln, dass sie eine Strafe verdient hätten. Was immer auch kommt, es kommt aus der Erde selber und ihren eigenen Gesetzen, oder es ist die Folge menschlichen Handelns. In all dem will ich die Erde aber dennoch bewahren. Das sagt uns ist ein schöner Satz, einer der großen und schönen Sätze des Alten Testaments: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Das ist tröstlich, denn es gilt auch in unserer Zeit. Es ist aber nur die eine Seite der Medaille. Es bedeutet: Gott wacht über die Erde und über uns. Aber wenn man den Satz liest, dann fällt auf, dass er anfängt mit: Solange die Erde steht. Das ließe sich vermutlich auch so variieren: So lange es Leben gibt auf der Erde. So lange es Menschen gibt auf der Erde. Oder sogar: So lange es die Erde noch gibt.
Wir wissen heute, dass die Erde irgendwo zwischen viereinhalb und fünf Milliarden Jahre alt ist. Und etwa genauso lang wird es noch einmal dauern, bis die Sonne zu einem sterbenden Stern werden wird. Mutmaßlich wird, wenn das Weltall dann noch genauso existiert, die Erde in einem schwarzen Loch verschwinden. Was sich hinter den schwarzen Löchern verbirgt, entzieht sich unserer Kenntnis. Vorsichtig gesagt, geht es da um eine andere Dimension – ohne Raum und Zeit und unsere Naturgesetze.
Was wir daran in erster Linie sehen: Die Erde wird, nach unserem heutigen Wissen, nicht ewig existieren. Wir Menschen werden in unserer heutigen Form nicht ewig weiterexistieren. Auch die Tiere nicht. Nicht einmal die Steine. Die Naturwissenschaft erinnert uns daran, dass es auch weder die Botschaft der Bibel allgemein noch die Botschaft des Christentums im Besonderen ist, dass die Welt und die Menschen so, wie sie hier sind, ewig weiterbestehen werden.
Abgesehen davon tun wir das individuell ja auch nicht, ewig weiterbestehen. Für uns alle ist der Weg auf dieser Welt, der Weg durch Raum und Zeit, irgendwann zu Ende. Und wenn heute manche Diktatoren oder Superreichen davon träumen, 150 Jahre alt zu werden, dann habe ich keine Ahnung, ob das eines Tages möglich sein wird, aber wenn tatsächlich, dann würde das wohl nur für eine sehr begrenzte Zahl von Menschen so kommen, nämlich für die, die mächtig und reich genug sind, um sich so etwas leisten zu können. Und die große Frage, die sich mir dazu auch noch stellt, ist, ob sich das denn gar so rentieren würde; kann man dem Leben dann einen größeren Sinn abgewinnen? Ich glaube nicht.
Wir sind mit der Botschaft der Bibel aber noch nicht zu Ende. Lange nach dem Bund mit Noah und allem Getier auf Erden, der erst einmal gilt, so lange die Welt besteht, schließt Gott noch einmal einen Bund mit allen Menschen. Und wieder heißt dieser Bund: Gott gibt allen Menschen ein Versprechen. Und die Möglichkeit, daran zu glauben. Für diesen neuen Bund ist Jesus gekommen. Dieser Bund bedeutet für uns: die Vergebung der Sünden. Und ein vollständiges Neuwerden unseres Lebens nach dem Tod, außerhalb dieser Welt.
Das Neue Testament spricht die meiste Zeit davon, dass Jesus für uns Menschen gekommen ist. Das stimmt ja auch. Das ist aber noch nicht alles. Der Apostel Paulus und einige andere Autoren sagen uns, dass die neue Welt Gottes, in der wir einmal ganz bei ihm sein werden, ein ganzer neuer Himmel und eine ganze neue Erde sein wird. Das mag bildhafte Rede sein, denn eine genauere Beschreibung ist von hier aus noch gar nicht möglich. Aber nicht nur die Menschheit seufzt unter den Beschränkungen dieser Welt und des Lebens hier auf der Erde mit allen irdischen Grenzen. Sondern die gesamte Schöpfung, die Gott geschaffen hat, im Anfang, wie die ersten Worte der Bibel lauten, die gesamte Schöpfung wird durch Jesus Christus erneuert. Seine Auferstehung ist das Zeichen dafür. Nicht mehr nur der Regenbogen – von dem redet das Neue Testament gar nicht mehr, denn er wird sozusagen überboten durch einen Neuen Bund. Die Auferstehung von Jesus ist das Zeichen dafür, dass auch wir Menschen auferstehen werden. Sie ist aber auch das Zeichen dafür, dass die gesamte Welt neu werden wird, nicht nur wir Menschen allein.
Nicht alle finden es einfach, zu glauben, dass Jesus auferstanden ist. Ich persönlich glaube es schon, aber wenn sich jemand schwer damit tut, dann meine ich: Man kann das auch symbolisch verstehen. Wichtig daran ist die Botschaft, die diese Auferstehung für uns alle beinhaltet: Siehe, ich mache alles neu, sagt Gott. Euch Menschen und euer Leben. Und die ganze Welt gleich mit dazu. Nichts und niemand wird verlorengehen. Bei mir ist alles aufgehoben, gut aufgehoben, auch wenn es im Rahmen dieser Welt vergeht oder schon längst vergangen ist. Denn Gott liebt diese Welt. Gott liebt uns und diese Welt. Und das wird münden in einen neuen Himmel und eine neue Erde, und in die Wohnung Gottes bei den Menschen. So die bildhafte Rede des letzten Buchs der Bibel. Hier schließt sich sozusagen ein Kreis, den Gott mit der Erschaffung dieses Himmels und dieser Erde begonnen hat, mit der Erschaffung des dann alten Himmels und der alten Erde. So schließt sich ein Kreis, aber auch das ist ein Bild, denn er schließt sich, sozusagen, weit außerhalb von Raum und Zeit, dort, wo wir Menschen von hier aus noch nicht hinübersehen können; dort, wo aber die eigentliche, die größere und die bessere Wirklichkeit erst noch auf uns warten.
Amen
