Wochenandacht

für die Woche vom 14. bis zum 20. Dezember


Predigt am Sonntag, 14. Dezember, über Lukas 3, 3-20,
von Pfarrer Hans-Helmuth Schneider


Johannes der Täufer kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden, und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!
Als aber das Volk voll Erwartung war und alle dachten in ihren Herzen, ob Johannes vielleicht der Christus wäre, antwortete Johannes und sprach zu allen: Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber der, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen. Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und predigte ihm.
Herodes aber, der Landesfürst, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen all des Bösen, das er getan hatte, fügte zu dem allen noch dies hinzu: Er warf Johannes ins Gefängnis.

Liebe Gemeinde,

Johannes der Täufer ist so etwas wie der letzte der eigentlich alttestamentlichen Propheten, ein kurzes Wiederaufflackern des Alten Testaments und er sollte Jesus vorbereiten helfen. Er tut das, indem er vom Gericht predigt, das über die Leute kommen wird. Und er hat Erfolg, großen Erfolg, bis er schließlich wegen seiner Ehrlichkeit, seiner Kompromisslosigkeit ins Gefängnis geworfen wird. Hingerichtet wird er auch noch werden – auch darin ist er noch ein Vorläufer von Jesus gewesen.

Allerdings macht er auch deutlich, dass der, der nach ihm kommt, also der Messias, der Christus, wie man „Messias“ ins Griechische und Lateinische übersetzt, - er macht deutlich, dass der, der nach ihm kommt, noch einmal ganz anders sein wird als er und viel wichtiger obendrein. Ich bin es nicht wert, ihm die Schuhriemen aufzubinden, das heißt, zwischen ihm und mir ist ein himmelweiter Unterschied. Und während ich mit Wasser taufe, wie bei einer Art von symbolischem Abwaschen der Sünden, wird er mit Geist und mit Feuer taufen, das soll wohl heißen: Er wird euch wirklich zu Gott bringen, oder Gott zu euch bringen, und das hat eine ganz andere Wirksamkeit als das, was ich hier tue.

Das ist wichtig zu wissen, denn Johannes ist nicht der Maßstab für das, was Jesus gesagt und getan hat, sondern umgekehrt: Jesus ist für uns der Maßstab, da kann Johannes noch so viel mit dem Gericht drohen. Bei allem, was Johannes schon wusste oder ahnte, er hatte anscheinend noch nicht verstanden, dass Jesus das Gericht auf sich selber nehmen würde, das Jesus uns das alles abnehmen würde. Aber wie hätte man sich das auch im Voraus vorstellen können, so enorm groß und wichtig, wie es eben war, das Jesus dann getan hat?

Dennoch ist Johannes eine Art Vorbereitung von Jesus gewesen. Wahrscheinlich hat man diesen Text darum in die Adventszeit gelegt als Predigttext, weil es jetzt wieder die Zeit ist, sich auf Weihnachten vorzubereiten.

Wenn ich heute jemanden fragen würde, wie er oder sie sich denn auf Weihnachten vorbereitet, würde man mir vielleicht antworten: Indem ich Geschenke kaufe, Plätzchen backe, die Wohnung dekoriere, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt trinke, ja überhaupt auf den Adventsmarkt gehe. Von innerlicher Vorbereitung würde so schnell vielleicht niemand reden und ich muss sogar selber zugeben, dass ich im Moment so viel zu tun und zu arbeiten habe, dass mir für etwas Innerliches oder Stilles im Moment kaum Zeit übrigbleibt. Das ist natürlich bei mir auch beruflich bedingt, aber nachdem alle das sagen und nicht nur ich, frage ich mich schon manchmal, ob wir nicht auch etwas falsch machen. Die Botschaft von Weihnachten ist ja gerade nicht, dass wir einen Haufen Zeug tun müssen, sondern dass Gott zu uns kommt und uns alles schenkt. Dass Gott uns liebt, ohne dass wir auch nur ein einziges Werk dafür tun müssen. Und darauf reagieren wir mit Stress und Erwartungsdruck an uns selber, als ob es das wäre, was Gott von uns will. Es sind doch nur wir Menschen, die das wollen. Klar soll Weihnachten schön werden, bei mir daheim auch. Und das wird es dann ja auch irgendwann. Aber dabei handelt es sich um die Dinge, die wir Menschen tun. Dass Gott an Weihnachten zu uns kommt, - naja … das tut er auch, wenn wir selber gar nichts täten oder nur die Hälfte von dem, was wir tatsächlich machen.

Aber noch einmal zurück zu unserem Text. Er will uns sagen: Johannes der Täufer kann zur Vorbereitung auf Jesus Christus. Und was macht Johannes? Er verlangt doch auch einen Haufen Sachen, die die Leute tun sollen, damit sie nicht im Gericht verurteilt werden. Oder zumindest sollen sie sich taufen lassen zur Vergebung der Sünden und sich dann halt bessern. Das ist nicht das, was Jesus gebracht hat, das sagte ich schon. Aber es lohnt sich trotzdem, auch hier noch einmal genauer hinzuschauen. Denn was verlangt Johannes eigentlich?

Zum einen wünscht er sich allgemeine Dinge, insbesondere dass man den Armen etwas abgeben soll. Darum ist das Spendenaufkommen in der Advents- und Weihnachtszeit auch höher als sonst im Jahr. Und warum nicht, Spenden sind ja normalerweise eine gute Sache und dienen einem guten Zweck? Aber dann kommen noch zwei Beispiele, und die sind recht interessant:

Erstens kommen die Zöllner zu ihm und fragen: Was sollen wir denn tun? Die Zöllner waren Kollaborateure mit den römischen Besatzern. Oft genug haben sie die Leute ausgenommen und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Bei der Bevölkerung waren sie untendurch. Sie waren die unbeliebtesten von allen. Und nun fragen sie sich - man könnte einen Satz von Adorno hier zitieren: Gibt es ein richtiges Leben im Falschen? Soll heißen: Wenn wir schon in so einer völlig unmoralischen und von allen verachteten Konstellation unser Leben zubringen, können wir denn dann überhaupt noch irgendetwas richtig machen? Und Johannes antwortet nicht: Sucht euch lieber einen anderen Beruf. Sondern er sagt: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist. Also wenn das euer Beruf ist, dann seid ehrlich mit den Leuten und wirtschaftet nicht in die eigene Tasche. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, jedenfalls für anständige Menschen; es ist jedenfalls nicht gerade hypermoralisch. Es akzeptiert die Menschen, also hier die Zöllner, und gibt ihnen und allen anderen die Möglichkeit zu unterscheiden: Es gibt wie immer solche und solche und auch noch einen Graubereich dazwischen. Und auch Zöllner kann man so sein, dass man viel falsch oder viel richtig macht.

Noch deutlicher ist das zweite Beispiel: Dann kommen die Soldaten und fragen, was sie denn tun sollen. Und Johannes sagt nicht: Soldat zu sein ist nicht mit der Religion vereinbar. Sondern er sagt: Bringt die Leute nicht einfach so um, bloß weil ihr Macht oder Waffen habt. Nutzt das nicht aus und lasst euch genügen an eurem Sold. Also raubt oder plündert nicht; mit anderen Worten: Begeht keine Kriegsverbrechen. Das muss man sich einmal klarmachen, auch in der Kirche. Auch Jesus hat mehrfach mit Soldaten zu tun gehabt und er hat sie nicht für ihren Beruf verurteilt; er hat sogar ein Kind eines römischen Hauptmanns geheilt. Auch Soldat kann man so oder so sein. Und das gilt letztlich für jeden Beruf und jede Berufung, auch da noch, wo man etwas tut, was nicht als bezahlte Tätigkeit gewürdigt wird. Die Botschaft des Neuen Testaments ist hier relativ eindeutig: Tut, was ihr tun müsst, es hat ja in der Regel auch einen Sinn für euch und für andere, und verhaltet euch dabei als anständige Menschen, also lügt nicht, mordet nicht, stehlt nicht und was derlei Möglichkeiten mehr sind. Dann tut ihr, was Gott auch für richtig hält.

Das soll also die Vorbereitung auf Jesus sein. Das soll also auch die Vorbereitung auf Weihnachten sein. Und das sollte eigentlich auch für niemanden eine Überforderung sein, sondern eigentlich ein normales Verhalten von anständigen Menschen. Es ist auch das Gegenteil von Cancel-Kultur oder von, wie manche gerne sagen, von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Denn auch Zöllner und Soldaten sind Menschen, für die Jesus gekommen ist. Sie dürfen die Reihe für sich selber gern fortsetzen, die Reihe von Menschen oder Berufen, die heute von Manchen verachtet werden. So Manches, was heute als einzig wahre Moral herumposaunt wird, hat mit Jesus oder dem Neuen Testament nicht sonderlich viel zu tun. Aber das war schon bei den Pharisäern so, die es auch geschafft haben, moralische Ansprüche gerade so zu erheben, dass sie Menschen ausgegrenzt und ihnen das Recht auf Existenz abgesprochen haben. Jesus hat das nicht getan. Noch nicht einmal Johannes der Täufer hat das getan, obwohl er offenbar in erster Linie Gericht gepredigt hat. Er hat es geschafft, das Gericht gerade so zu predigen, dass die Liebe Gottes zu allen Menschen immer noch durchgeschienen hat. Das ist noch lange nicht dasselbe wie Weihnachten, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Amen