für die Woche vom 26. März bis zum 1. April
Holz auf Jesu Schulter
Evangelisches Gesangbuch Nr. 98; Orgel und Gesang: KMD Ingrid Kasper
Predigt am Sonntag, 26. März,
anlässlich der Neupräsentation der "Bamberger Apokalypse" in St. Stephan
über Offenbarung 1, 1-8, von Pfarrer Hans-Helmuth Schneider
Und ich sah, dass das Lamm das erste der sieben Siegel auftat, und ich hörte eines der vier Wesen sagen wie mit einer Donnerstimme: Komm! Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um zu siegen.
Und als es das zweite Siegel auftat, hörte ich das zweite Wesen sagen: Komm! Und es kam heraus ein zweites Pferd, das war feuerrot. Und dem, der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, dass sie sich untereinander umbrächten, und ihm wurde ein großes Schwert gegeben.
Und als es das dritte Siegel auftat, hörte ich das dritte Wesen sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein schwarzes Pferd. Und der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. Und ich hörte etwas wie eine Stimme mitten unter den vier Wesen sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden.
Und als es das vierte Siegel auftat, hörte ich die Stimme des vierten Wesens sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: der Tod, und die Hölle zog mit ihm einher. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Tod und durch die wilden Tiere auf Erden.
Liebe Gemeinde,
das Buch der Offenbarung oder die Apokalypse, wie es auf Griechisch heißt, bringt jeden an seine Grenzen. Leser, Ausleger, Künstler, beschäftigen sich seit bald 2000 Jahren damit und am besten sind immer noch die Künstler gefahren, die sich von der überbordenden Bilderwelt haben anregen lassen, diese nachzugestalten. Vieles aus diesem Buch ist sprichwörtlich oder ikonisch geworden, die Figur des Antichristen zum Beispiel oder die Figur der Maria auf der Mondsichel. Oder eben die vier Reiter der Apokalypse, die es auch in vielen Sprachen zum Allgemeingut gebracht haben, the four horsemen heißen sie auf Englisch.
Das alles löst aber nicht das eine grundlegende Problem, vor das uns dieses Buch seit 2000 Jahren stellt, und das ist: Was sollen wir mit allen diesen Bildern anfangen? Haben sie eine Bedeutung, die nicht nur für uns wichtig ist, sondern die wir zuallererst einmal – überhaupt erkennen können? Über kein Buch hat man in der Alten Kirche so lange diskutiert, ob man es überhaupt ins Neue Testament aufnehmen soll. Nun ist es drin. Und stiftet viel Verwirrung und regt viel Produktion an.
Wir wissen nicht genau, in welchem Jahr die Bamberger Apokalypse tatsächlich gemalt wurde, auf Reichenau im Bodensee. Im Jahr 1020 ist sie dann jedenfalls in Bamberg gewesen. Was wir wissen, ist, dass man sich um das Jahr 1000 stark mit dem Buch der Offenbarung beschäftigt hat; denn man hat sich gefragt, ob das Jahr 1000 nicht eine gute Gelegenheit für den Weltuntergang wäre. Auch in der Offenbarung ist von einem 1000-jährigen Reich die Rede und man hat das auf die Zeit des Christentums übertragen. Vielleicht gehört die Bamberger Apokalypse auch in diesen Zusammenhang.
Das würde dann noch einmal auf das Problem hinweisen, das ich schon genannt habe: Kann man mit diesem Buch überhaupt etwas anfangen? Alles, was dieses Buch erzählt, stellt es in den großen Zusammenhang des Untergangs dieser Welt und ihrer Ablösung durch einen neuen Himmel und eine neue Erde, wo Gott alle Tränen abwischen wird von unseren Augen. Und was haben die bisherigen Ausleger nicht schon diesen Weltuntergang in ihrer eigenen Zeit kommen sehen. Und wie sehr haben sie sich jedes Mal getäuscht.
Das beste Beispiel dafür sind wohl die Zeugen Jehovas, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Weltuntergang x Mal vorausgesagt hatten und die es in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts dann aufgegeben haben, weil es doch zu peinlich geworden ist. Bei allen Unterschieden zwischen ihnen und anderen – diese Art der Deutung, Dinge wörtlich zu nehmen und dann so miteinander zu kombinieren, dass schließlich eine Vorhersage für die eigene Zeit dabei herauskommt, diese Art der Deutung ist in vielen Kreisen populär. Und ist immer wieder gescheitert. Den Antichristen hat man schon oft gemeint identifizieren zu können, im Zweifelsfall war er immer der aktuelle politische oder militärische Gegner. Aber der Weltuntergang ist dannausgeblieben. Und nun haben Fundamentalisten beim ersten apokalyptischen Reiter gelesen, dass er eine Krone erhält. Und Krone heißt auf lateinisch Corona. Schon gibt es Gerede, dass Corona das Ende der Welt einleitet. Aber. Und hier kommt mein Aber: Warum ausgerechnet die lateinische Übersetzung? Warum nicht das griechische Original? Oder den hebräischen Ursprung? Damals hatte man eigentlich noch gar keine Kronen. Im griechischen Original steht hier das Wort stephanos, und das ist erst einmal der Lorbeerkranz, so wie ihn die Sieger von Olympia oder die römischen Cäsaren getragen haben. Eine Übertragung auf die Corona-Pandemie ist mir persönlich viel zu weit hergeholt. Mit derselben Logik könnte ich darauf schließen, dass die Stephanskirche einen Bezug zu dem ersten Reiter hat, weil der Name Stephanus ja von diesem Wort Stephanos abgeleitet ist. Aber die Stephankirche ist über 1000 Jahre alt und die Welt ist noch nicht untergegangen.
Beim Buch der Offenbarung ist es leichter, zu sagen, was etwas nicht bedeutet, als zu sagen, was etwas bedeutet. Und diese Art der Auslegung, von einzelnen Worten oder Sätzen aus etwas in der eigenen Gegenwart zu suchen, ist in der Regel zum Scheitern verurteilt. Das Buch hat viele Kapitel und ein einzelner Aspekt führt eher zur Verwirrung, weil er sich in der Regel dann mit den anderen nicht in Verbindung setzen lässt. Aber was heißt das nun für die vier Reiter der Apokalypse?
Diese Vier stehen am Anfang des Endes der Welt, sie kommen angeritten und kündigen Katastrophen an. Der erste hat einen Bogen und eine Krone, lassen wir es bei diesem Wort. Das Problem bei diesem ersten ist das Problem mit vielem anderen auch. Im Grunde weiß niemand so recht, was er bedeuten soll. Die einzige Symbolik, die er hat, ist die des Siegers. Vermutlich soll er einleiten, dass nun etwas kommt, was die Menschen besiegen wird. Etwas Besseres lässt sich schwer sagen.
Der zweite Reiter bringt Krieg. Der dritte Reiter bringt Inflation. Das lässt sich sicher sagen. Der vierte – der bringt eine andere Ebene ins Spiel, eine allgemeine apokalyptische Idee: Da ist sozusagen die Hölle los und der Tod bringt ein Viertel der Menschheit um. Möglicherweise spielen der Krieg und die Inflation dabei eine Rolle. Oder das kommt noch zusätzlich dazu.
Schön ist das nicht. Und wieder könnte man fragen: Krieg und Inflation haben wir doch jetzt – und mit oder ohne Corona auch noch? Ist nicht auch das Ende der Welt heute viel näher als es früher war? Und wo soll das denn alles noch hinführen, wenn nicht zu wirklich großen Katastrophen?
Nun weiß ich die Zukunft auch nicht im Voraus. Aber man kann zum Beispiel dazu sagen: Diese Dreiheit von Krieg, Tod und Inflation wird schon im Alten Testament manchmal genannt. Sie war schon im ersten Jahrhundert nichts Neues mehr. Und sie hat sich seitdem immer wieder wiederholt. Denn Krieg bedeutet hohe Ausgaben, die sich keine Regierung wirklich leisten kann, er bedeutet Knappheit von Ressourcen und damit einhergehend die Herstellung von Geld aus dem Nichts, früher hat man das mit Münzen gemacht, später mit der Druckmaschine, heute mit Computern – vielleicht ist das eher eine Lektion, die uns das Buch der Offenbarung lehren kann: Die Menschen werden nicht gescheiter. Sie lernen aus der Geschichte eher wenig. Sie fallen immer wieder in die von ihnen selbst gegrabenen Gruben. Denn was wir heute erleben, ist überhaupt nichts Neues. Neu ist es nur für uns, die wir es zum ersten Mal persönlich erleben. Aber die Geschichtsbücher sind schon lange voll von Geschichten, die sich zwar nicht direkt wiederholen, aber zumindest reimen. Und wenn sie heute wieder aktuell sind, dann sind eben auch die apokalyptischen Reiter wieder aktuell. Sie sind, und das ist bedauerlich, eine geradezu zeitlose Erscheinung.
Ich habe nicht den einen Schlüssel, mit dem ich das Buch der Offenbarung erklären kann. Aber ein Gedanke, der mir immer wieder in meinem Leben gekommen ist, ist eben dieser: Zumindest Manches, was hier bildhaft beschrieben wird, wiederholt sich im Lauf der Menschheitsgeschichte immer wieder. Immer wieder treten zum Beispiel auch Figuren auf, die man als Antichristen bezeichnen kann. Immer wieder und auch heute wieder werden Christen verfolgt, irgendwo auf der Welt. Und insofern enthält das Buch der Offenbarung manche zeitlose Wahrheit. Und gerade die unangenehmen Wahrheiten sind sein Thema.
Und was ist mit dem allgemeinen Zusammenhang? Geht die Welt nun bald unter? Gehen wir auf Katastrophen biblischen Ausmaßes zu? Ich kann Ihnen das nicht sagen. Mir persönlich sind manche Töne heutzutage hier zu laut und ich würde mir etwas mehr Ruhe und weniger Politik in diesen Debatten wünschen. Ich persönlich gehöre auch eher zu denen, die die leise Hoffnung haben, dass die Menschheit bisher immer noch Mittel und Wege gefunden hat, mit Bedrohungen und Katastrophen umzugehen. Vielleicht wird der Weg sehr sehr steinig und vielleicht werden am Ende dieses Jahrhunderts sichtbar weniger Menschen die Welt bevölkern als heute. Aber auch das weiß ich nicht.
Was ich hingegen glaube, sind zwei Dinge, mit denen ich schließen möchte. Das erste ist: Die Versprechen, dass wir die Welt grundsätzlich verbessern und eines Tages in einen idealen Ort verwandeln können, sind nicht die Botschaft des Neuen Testaments. Ich weiß, dass manche das anders sehen, ich will das auch niemandem wegnehmen, aber ich persönlich komme ohne das aus. Und das zweite ist: Natürlich geht für jeden von uns persönlich die Welt unter, wenn wir sterben; und das ist ganz unabhängig davon, was aus unserem Planeten noch wird oder nicht. Aber hier sagt uns der christliche Glaube – und das einschließlich des Buchs der Offenbarung -: Das ist nur ein Übergang. Ein Übergang in eine andere Welt. Eine Verwandlung in ein anderes Leben in einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Diese Botschaft ist wichtiger als die Angst. Diese Botschaft ist wichtiger als alle Katastrophen. Denn sie gilt auch für diejenigen, die von Katastrophen betroffen sind. Sie gilt auch für diejenigen, die gar nichts mehr glauben können. Eines Tages wird Gott abwischen alle Tränen von ihren Augen. Und von unseren auch.
Amen